Inmitten des vollgestopften kleinen Büros sitzt Sara Ferran Cima hinter ihrem Schreibtisch und streicht sich das lange, dunkle Haar hinter die Ohren. Seit über zwei Jahrzehnten ist ihre Familie im Marmorgeschäft, hier im italienischen Carrara, wo die Felsen roh und riesig in den Himmel ragen und das weisse Gold bergen. Wie das von Sara 2014 gegründete Label Bloc Studios entweder inhouse oder aber in Zusammenarbeit mit internationalen Künstlern und Designern, Marmor in traumschöne Alltagsgegenstände verwandelt, sorgt weltweit für Aufsehen. Im Interview erzählt sie, wie alles begann, warum sie in der Pampa wohnen bleibt und wie das Newcomerlabel mit dem neuen Erwartungsdruck umgeht.
Wie hat alles angefangen mit Ihnen und dem Marmor?
SARAH FERRAN CIMA: Mit einer Familie, die seit über zwei Generationen im Marmorgeschäft tätig ist, liegt es nahe, früher oder später selbst einzusteigen. Dabei hatte ich zunächst ganz andere Pläne…
Was wollten Sie werden?
SFC: Zunächst habe ich Kulturwissenschaften studiert und mich asiatischen Sprachen gewidmet, meine Mutter ist ja Taiwanesin. Nach der Uni bin ich dann erstmal für ein Jahr nach Shanghai gezogen und habe in der Botschaft gearbeitet. Ich wäre auch sicher länger geblieben, aber ich wurde schwanger. Also bin ich zurück nach Italien und stieg in die Firma meiner Mutter ein.
Kulturschock?
SFC: Absolut. Es war ein vollkommen anderes Leben. Ich hätte gern weiter im Botschaftsumfeld gearbeitet, jetzt aber war mein Kerngeschäft Marmoblöcke, zumeist für industrielle Großprojekte, zu verkaufen. Ich war nicht sonderlich zufrieden mit meinem Leben, obwohl natürlich eigentlich alles prima war. Festes Einkommen, flexible Arbeitszeiten, was natürlich gerade mit einem Baby super ist. Mir aber hat etwas gefehlt.
Was genau?
SFC: Ich bin der Typ, der sich nicht zu sehr entspannen darf – sonst kippt es und ich sterbe vor Langeweile. Ich muss in Bewegung bleiben. Schon vom ersten Tag der Arbeit in unserem Unternehmen fiel mir der Überschuss auf. In unserem Geschäft schneiden wir Blöcke aus dem Felsen, die passgenau in Container verpackt werden müssen und dabei wird einfach viel weggeschmissen. Ich habe angefangen, den Müll zu sammeln und darüber nachgedacht, wie man die Steine wiederverwerten könnte – und so fing alles an.
Bloc Studio haben Sie mit Ihrem Partner Massimo Ciuffi gegründet – wie kam es dazu?
SFC: Massimo ist der Sohn des Businesspartners meiner Mutter. Es gibt also keine poetisch-romantische Geschichte hinter Bloc, unsere Zusammenarbeit ist eher eine schrecklich praktische Angelegenheit. Ich würde es so bezeichnen: Massimo ist die Hand, ich bin der Kopf. Er ist zwar auch wahnsinnig kreativ, aber wenn es um soziales Netzwerken und Kommunikation geht, verweigert er sich total – ein echter Neandertaler. Er geht auf keinen Empfang, mag keine Messen und erscheint eigentlich nie auf irgendwelchen Events. Wenn es aber um ein konkretes Projekt geht und angepackt werden muss, ist er da. Eigentlich bleibt er wirklich immer hier, lustig.
Klingt nach der perfekten Aufteilung.
SFC: Das ist es wirklich – er sogt dafür, dass ich nie abhebe und immer am Boden bleibe.
Leben Sie in Carrara?
SFC: Nein, hier arbeiten wir nur. Wohnen tun wir in meiner alten Heimatstadt Viareggio, 25 Minuten von hier entfernt.
Vermissen Sie manchmal das urbane Leben der Großstadt? Gerade weil Sie ja viel mit all diesen sehr urban und international lebenden Künstlern arbeiten?
SFC: Ja! Immer.
Wie gut, dass Sie dann den Part übernehmen, all die Messen und Events zu besuchen…
SFC: Absolut! Gerade Mailand ist für uns wäherend der Designwoche absolut essenziell. Wir leben hier in der Pampa und haben nicht gerade viele Gelegenheiten Leute kennenzulernen und unsere Arbeit zu zeigen. Ich lebe ja gern in unserer Stadt, vor allem im Sommer ist die Nähe zum Meer wunderbar und wir haben einfach für unsere Arbeit alles zusammen: Material, Werkstatt, Lager. Selbst wenn ich also immer mal wieder einen Rappel bekomme und Lust habe, wegzuziehen, bin ich doch mehr denn je mit diesem Ort hier verbunden. Und am Wochenende kann ich ja jederzeit meine Freunde in Mailand besuchen und feiern gehen.
Natürlich geht man davon aus, dass Sie Marmor lieben. Würden Sie uns die Schönheit des Materials beschreiben?
SFC: Jeder weiss um die Kostbarkeit des Steins, Marmor ist nicht künstlich herstellbar und das allein macht ihn schon wertvoll. Hinter einem Objekt aus Marmor steckt so viel Arbeit, das wird oft vergessen. Die Poesie kann schon in der bloßen Gewinnung stecken. Wenn du in den Wald gehst, realisierst du ja auch, was hinter dem bloßen Produkt Holz steht. Und bei uns ist es ähnlich: Ich sehe die Menschen, die den Marmor aus dem Stein schneiden, ihn erneut am Boden bearbeiten, bevor das Stück überhaupt in die Werkstatt gebracht wird. Der Prozess ist irre lang, das sollte man im Hinterkopf behalten. Das Objekt entsteht aus einem Block, das fasziniert mich immer wieder.
Haben Sie Zuhause viel aus Marmor?
SFC: (lacht) Nein. Nur im zweiten Stock und das eigentlich auch nur, weil es das alte Haus meiner Eltern ist. Wenn ich mir einen Platz zum Leben aussuchen würde, wäre dort nicht sonderlich viel Marmor zu sehen.
Warum?
SFC: Wahrscheinlich weil ich jeden Tag von morgens bis nachts wo ich auch hinschaue von Marmor umgeben bin! In Carrara ist ja praktisch alles aus Marmor, Parkbänke, öffentliche Gebäude – es ist ja nicht so, dass ich Marmor nicht mögen würde, im gegenteil – ich liebe es. Ich mag einfach nur nicht , wenn es so protzig daherkommt. Der Wert kommt doch viel besser zur Geltung, wenn ich zu einem Betonboden ein Statementpiece aus Marmor kombiniere.
Eine sehr moderne Sichtweise, die sich in den von Ihnen designten Stücken widerspiegelt und auch in den Kollaborationen mit Designern wie Objects of Common Interest, dem Schweizer Studio Thévoz-Choquet oder auch dem amerikanischen Schriftsteller und Designer Joseph Magliaro. Wie finden Sie Ihre Partner?
SFC: Das ist ganz unterschiedlich. Bei Josephine Choquet und Vigile Thévoz war es so, dass mich meine beste Freundin ihnen vorstellte. Wir waren sofort auf einer wellenlänge und nicht viel später arbeiteten wir schon an unserer ersten Kollektion zusammen. Sabine Marcelis schrieb mir vor ein paar Jahren eine mail und fragte, ob wir nicht mal etwas zusammen machen wollten. Ich tat damals total lässig, in Wahrheit aber, war ich außer mir vor Freude – sie war damals schon eine große Nummer und das war für uns ein echter Scoup. Bei Carl Kleiner lief es wiederum anders.
Erzählen Sie!
SFC: Ich habe eine seiner Fotoserien gesehen und mich sofort verliebt: Blumen, die sich alle in verschiedene Richtungen bewegten und auf einer Art Basis mit Metall Rosen verankert waren. Ich fand das so poetisch und schön und wollte sofort, dass ich sich das Bild in ein Objekt verwandelt, dass ich mir Zuhause aufstellen kann. Also habe ich ihn kontaktiert und musste erstmal mit seinem Agenten sprechen, er war ja damals schon sowas wie ein Superstar. Dann aber war er total interessiert und noch dazu wahnsinnig nett. Wir haben zusammen überlegt, wie man das Bild zum Leben erwecken kann und so entstanden unsere Posture Vases.
Letztes Jahr präsentierten Sie Ihre Arbeiten in einer Videoinstallation, die Marmorobjekte zusammen mit nacktem Frauenkörper zeigte. Eine Kombination, die berührte.
SFC: Und ein echtes Wagnis für mich – als ich meiner Mutter das Video gezeigt habe, war sie total verständnislos, ich muss immer noch lachen, wenn ich an Ihren Gesichtsausdruck denke. Ich fand aber auch, dass der Film die Erotik der Objekte auf eine ganz und gar unpornografische Weise gepusht hat.
Sie waren so erfolgreich auf der letzten Salone, lastet der Erwartungsdruck auf Ihnen?
SFC: Ganz ehrlich, wir haben wirklich überhaupt nicht mit dieser Resonanz gerechnet, also so gar nicht. Wir machen ja einfach das, was uns Freude macht und haben uns gleich zu Anfang fest versprochen, dass wir aufhören, wenn der Spaß bei der Arbeit ausbleibt. Noch aber ist es super!