Die atmosphärische Wirkung von Architektur und Räumen geht weit über das Visuelle hinaus. Mindestens genauso wichtig sind Gerüche. Denn an sie sind eine Vielzahl von Erinnerungen und Emotionen geknüpft. Düfte können beruhigen, uns anregen, inspirieren und entspannen. Und wo es gut riecht, da fühlen wir uns instinktiv wohl. Diese grundlegende Erkenntnis macht sich die Disziplin des Raumduft-Designs zunutze, die mittels Düften hochwertige Aromaräume schafft. Synthetische Kompositionen von der Stange sind dabei passé. Heute geht es um natürliche Raumdüfte, die individuell auf die Kund*in oder die Marke abgestimmt sind und zu deren Erscheinungsbild passen.
Mit der Verbindung und Synergie zwischen der visuellen und der olfaktorischen Raumgestaltung beschäftigt sich auch Maurice Joosten. Ein Kunstprojekt zog den 1962 in Haarlem geborenen Kunstakademie-Absolventen 2003 nach Tokio, wo er seit 2006 als olfaktorischer Raumdesigner für das japanische Unternehmen @aroma arbeitet und heute als Creative Director das Designstudio von @aroma Europe leitet. Als solcher hat er für zahlreiche internationale Kund*innen individuelle Duftprofile kreiert. Dass das Unternehmen in Japan sitzt, kommt nicht von ungefähr. Aromatherapie und Raumgestaltung gehören hier aus historischer und kultureller Sicht schon seit jeher zusammen.
Herr Joosten, können Sie uns ein wenig über die Bedeutung von Duftessenzen in der japanischen Kultur erzählen?
Maurice Joosten: Japan hat eine jahrtausendealte Tradition in der Verwendung natürlicher Düfte im direkten Lebensumfeld des Menschen. Ob es für spirituelles Training in Klöstern oder in Weihrauchspielen wie Kodo, einer kontemplativen Zeremonie, bei der kostbare Holzstücke verbrannt werden, verwendet wurde – Duft wurde immer als kraftvolle Möglichkeit angesehen, Atmosphäre, Stimmung und Balance in Räumen zu schaffen.
Als Duftdesigner beschäftigen Sie sich mit der Verbindung und Synergie zwischen visueller und olfaktorischer Gestaltung eines Raums. Wie muss man sich Ihren Arbeitsalltag vorstellen?
MJ: Meine Tätigkeit reicht vom Design massgeschneiderter Düfte, die das Marken-image einer Kund*in repräsentieren oder sich nahtlos in ein Innenarchitekturprojekt einfügen, über die technische Implementierung unserer professionellen Diffusoren in das tatsächliche Gebäude bis hin zur Wahl der richtigen Positionierung und Duftintensität an einem bestimmten Ort.
Wie gehen Sie bei einem neuen Projekt vor?
MJ: Der erste Schritt ist ein Beratungsgespräch und Workshop mit der Kund*in, in dem wir das Gesamtkonzept und den Zweck des individuellen Duftes besprechen. Wichtig ist auch eine Besichtigung, um die Innenräume tatsächlich zu erleben. Kurz gesagt, ich versuche so viel Material wie möglich zu sammeln, um das endgültige Design bestmöglich konzipieren zu können.
Was fällt Ihnen leichter, einen Duft für einen bereits bestehenden Raum zu entwerfen, oder von Grund auf beim Neubau beteiligt zu sein?
MJ: Einen Duft für eine bebaute oder unbebaute Umgebung zu entwerfen, kann gleichermassen inspirierend sein, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Wenn der Raum bereits vorhanden ist, kann er direkt erlebt werden, und das Duftdesign und die Implementierung von Diffusoren werden eine direkte Antwort auf die vorhandene Situation sein. Wenn das Gebäude noch nicht realisiert ist, dauert der Designprozess zwar länger, lässt aber mehr Raum und Vorstellungskraft, um sich vollständig in die Vision der Architekt*in und/oder Innenarchitekt*in hineinzudenke
@aroma bietet auch eine grosse Auswahl an 100 % natürlichen ätherischen Ölen und Diffusern für den Privatbereich. Wie finden Privat-kund*innen den für sie passenden Raumduft?
MJ: Wir haben fünf Duftserien für unterschiedliche Zwecke entwickelt. Während sich «Botanical Air» die Kraft zunutze macht, die im Duft natürlicher Pflanzen steckt – etwa Baum- und Kräuterdüfte ebenso wie Zitrus- und Blumendüfte – ist «Japanese Air» von der Tiefe und Schönheit der japanischen Natur und Kultur inspiriert. «Design Air» ist eine Kollektion von Ölen, die es der Anwender*in ermöglicht, das Interiordesign-Konzept eines Raumes mit dem passenden Duft zu unterstreichen. Die Serie «Clean Air» fokussiert sich auf die antibakteriellen und antiviralen Eigenschaften von Ölen – etwa mit Eukalyptus und Pfefferminze. Die Kollektion «Supplement Air» schliesslich will die körperliche Gesundheit und das seelische Wohlbefinden mit zur jeweiligen Tageszeit passenden Essenzen unterstützen.
Unterscheiden sich gewisse Duftassoziationen in unserer westlichen Welt im Vergleich zur asiatischen, wo @aroma herkommt?
MJ: Wir bemerken eine klare Präferenz für verschiedene Düfte aus unserem Sortiment in verschiedenen Teilen der Welt, weil sie für Menschen in diesem Bereich wahrscheinlich eher nachvollziehbar sind. Reiche und üppige Blumendüfte oder Minznoten sind beispielsweise in wärmeren, halbtropischen Ländern beliebter als in gemässigtem oder kaltem Klima. Aber gleichzeitig sind wir auf einer tieferen Ebene universelle Wesen und reagieren ähnlich auf bestimmte archetypische Gerüche. Frische Zitrusöle verströmen pure und belebende Energie, während erdige Holznoten Komfort und Stabilität vermitteln. Das pure Erlebnis olfaktorischer Schönheit, ob aus vertrauter Quelle oder völlig neu und unbekannt, verbindet uns alle mit unseren intimsten Gefühlen über Zeit und Ort hinweg.
Wie riecht es bei Ihnen zu Hause?
MJ: Das hängt sehr stark mit den Jahreszeiten und meiner Stimmung zusammen. Gerade jetzt, zum Frühlingsanfang, liebe ich es, die Leichtigkeit frischer, reiner Luft und leichter Blütennoten zu Hause zu erleben.