Die Staudengärtnerei

Wohn-und Pflanzentraum am Fusse des Schwanbergs

Blick von den Schaugärten auf ein Haus

Der Blick von den Schaugärten auf die industrielle Treppe, die zu den Privaträumen des Gärtnerehepaars führt.

Am Fusse des Schwanbergs im unterfränkischen Rödelsee liegt «Die Staudengärtnerei» von Fine Molz und Till Hofmann grosszügig eingebettet zwischen Weinbergen und dem kleinen, liebevoll restaurierten Ortskern mit seinen Weinstuben. Ein idyllischer Landstrich am nördlichen Rande des Steigerwalds, dessen Anwohner*innen sich selbstbewusst in vornehmlich traditionellen Branchen der Moderne stellen. Hier liess die Landschaftsarchitektin und Staudengärtnerin gemeinsam mit dem ehemaligen Headgardener des renommierten Weinheimer Hermannshof den Traum einer gemeinsamen Gärtnerei wahr werden. 

Einblick in einen Garten mit Blühpflanzen

Selbst ausgesäte Blühpflanzen bringen im Kontrast zu den formalen Reihen eine Portion Lässigkeit in den Gemüsegarten.

Samenstände der Junger im Grünen und des Weissen Blauweiderichs.

Samenstände der Jungfer im Grünen (Nigella damascena) und des Weissen Blauweiderichs (Veronica longifolia) «Melanie White».

Mit einer Portion Mut beginnt 2015 der Umzug der Gärtnerei mit damals 9000 Stauden auf das 11 000 Quadratmeter grosse Gelände. Schon zuvor betrieb Molz parallel zu ihrer Planungstätigkeit eine kleine Gärtnerei im Odenwald. Die Sehnsucht nach der fränkischen Heimat wuchs über die Jahre, und so bewarb sich das Ehepaar initiativ bei der Gemeinde Rödelsee, die ihnen auf einer Feier von einem Freund ans Herz gelegt wurde. Der ansässige Bürgermeister meldete sich keinen Tag zu früh mit der Neuigkeit, dass ein passendes Grundstück in seiner Gemeinde zu Verfügung stünde. Erst am Vortag war schmerzlich entschieden worden, dass der Odenwälder Betrieb nicht fortgeführt werden kann. Mit neu geborenem Kind, bereits gekündigtem Job und noch ohne Zusage für einen Kredit oder eine Baugenehmigung griffen die beiden zu. Probleme wollte man erst gar nicht antizipieren, die beiden Profis waren zuversichtlich, mit den Gegebenheiten vor Ort zurechtzukommen. «Gründe, es nicht zu tun, finden sich immer ganz leicht. Darum gab es für uns nur den Plan A», scherzt Hofmann, der zu diesem Zeitpunkt  – mitten in der Flüchtlingskrise  – das Risiko, das man in dieser Lebenslage vergleichsweise einging, für annehmbar hielt.

Zwei rote Stühle vor einem Schopf der von vielen grünen Pflanzen umgeben ist.

Verschiedene Blatttexturen und Wuchsformen sowie zwei wohlplatzierte rote Stühle machen diesen Gartenbereich besonders, auch ohne bunte Blüten.

Nahaufnahme einer Distelsterne.

Die Distelsterne des Flachblättrigen Mannstreus (Eryngium Planum) erhalten sich durch Verdammung im Beet. 

Nach ersten Planungen im Vorjahr wurde das Wohn- und Geschäftshaus 2016 mit einer auf Holzbau spezialisierten Baufirma aus dem Umkreis realisiert. Eine befreundete Architektin stand dem Paar mit Rat während des Bauprozesses zur Seite. Darüber hinaus fanden sich helfende Hände, die tatkräftig anpackten.

Klar war den beiden Staudengärtnern von vornherein, was das Haus können muss. So sollte sich das Wohnhaus an die Architektur der einfachen Scheunengebäude des Ortsrands anlehnen und sich so in die Peripherie integrieren. «Das Haus sollte bloss nicht auftrumpfen», betont Molz. Das unbehandelte Holz der Fassade besitzt darüber hinaus den Vorteil, auf Pflege nicht angewiesen zu sein. Die Fenster wurden strategisch gesetzt. Sie orientieren sich am Sonnenstand, um möglichst viel Licht, aber wenig Wärme in das Holzhaus zu lassen. Nachträglich wurde die südwestliche Hausseite durch eine Pergola ergänzt. Sie wurde mit Blauregen berankt, um sowohl die Fassade als auch Teile der umlaufenden Terrasse aus regionalem Muschelkalk während der Sommermonate zu schattieren. Ziel war es, so wenig Technik wie möglich zu verbauen und «aufrichtige» Materialien zu verwenden.

Mutter und Tochter die den Tisch auf einer grossen Terrasse decken.

Die grosszügige Terrasse bietet bei Feierlichkeiten für eine Tafel mit liebevoll gestalteten Blumensträussen Platz.

«Gründe, es nicht zu tun, finden sich immer ganz leicht. Darum geb es für uns nur den Plan A.»

Aussicht auf Weinbergen.

Bewusst wird die umgebende Landschaft mit ihren Weinbergen visuell in die Beet- und Quartiergestaltung einbezogen.

«Unser Ziel war es, so wenig Technik wie möglich zu verbauen und aufrichtige Materialien zu verwenden.»

Die Aufteilung der Innenräume ergab sich aus der eigenen Lebenserfahrung und dem Wissen über die täglichen Abläufe in einer Gärtnerei mit Angestellten, die im Erdgeschoss Büro und Mitarbeiterräume nutzen.

Die umliegende Landschaft und die das Haus umgebenen Staudenbeete tragen rund ums Jahr ihre Farbe in die Wohnräume. An die Pflanzungen schliessen sich durch Hainbuchenhecken gegliedert die Staudenquartiere der Gärtnerei und Umgebung visuell miteinander verwoben sind. 

Bei all der Arbeit, die eine Gärtnerei mit sich bringt, hat das Ehepaar schnell Anschluss im Ort gefunden und Fine Molz gerät für das gute Brot und den Wein der Region ins Schwärmen.

Mittlerweile gilt die Staudengärtnerei längst nicht mehr als Geheimtipp. Das Augenmerk liegt zeitgemäss auf einem klimaresistenten und pflegereduzierten Sortiment. Reisebusse steuern an manchen Sommertagen das kleine Rödelsee an und bringen Besucher*innen aus ganz Europa, um auf dem Gelände durch die Pflanzungen zu flanieren, sich inspirieren zu lassen und die eine oder andere Rarität zu erwerben. Der Mut des Ehepaars hat sich allemal gelohnt.

www.die-staudengaertnerei.de

Besonderheiten wie die Wilde Möhre «Dara» (Daucus carota) lassen Betrachter*innen Bekanntes neu entdecken.

Der schlichte Brunnen lädt mit seinem sanften Murmeln zum Verweilen auf der Muschelkalkterrasse ein. 

Auch Gemüse, wie die Artischocke Kardy (Cynara cardunculus), findet in der modernen Staudengärtnerei Verwendung.

Titelbild Atrium Ausgabe vier von 2023 mit einem offenen und hellen Wohnraum.

Der gesamte Artikel erscheint in der Ausgabe 4 / 2023 der Zeitschrift Atrium.