Das zeitgemässe Landhaus – Heimstätte persönlicher Ansprüche: So titelte Das Ideale Heim im November 1943 die Geschichte mehrerer Häuser aus der Feder des Architekten Fred Traub an der Zürcher Goldküste. Der Text beschreibt die Sehnsucht nach dem Land, den Unterschied des gepriesenen Landhauses im Vergleich zur städtischen Villa: «War die Villa mehr auf die Wirkung nach aussen gestellt, so will das Landhaus die besinnliche Schau nach innen. Diese Umstellung ist die natürliche Reaktion auf eine Zivilisation der Mechanisierung und der Hast, die uns um die eigentlichen Lebenswerte allzu leicht betrügt. Das Landhaus will nicht der Repräsentation, sondern der Lebenskunst dienen.» Das ist doch eins zu eins die Stimmung, wie sie auch heutzutage auftritt. Immobilienbarometer zeigen nach der Pandemie genau jene Stadtflucht auf, die offenbar auch Ende der 30er-Jahre stattfand. Unser Zuhause ist zum eigentlichen Rückzugsort geworden. Worte wie Cocooning, Wellbeing und Atmospheric Design werden fast schon inflationär gebraucht. Das Wort Lebenskunst beschreibt aber für mich ziemlich genau das Feeling, das entsteht, wenn man das eine Haus von Fred Traub betritt, das von Anne-Christiane Poklekowski und Robert Stephan mit viel Feingefühl und ästhetischer Hingabe ins 21. Jahrhundert geführt wurde. Es handelt sich um ein Haus voller Kunstwerke, das selbst zum Gesamtkunstwerk wird. Die Möblierung und Ausstattung atmet einerseits den Geist des Mid-Century, aber sie wurde auch um einige tolle Einzelanfertigungen neueren Datums ergänzt.
Beim Interior fand die grösste Veränderung in der Küche statt. Die zudienende Küche, die damals für die Bediensteten direkt über den Flur respektive von aussen her erschlossen war, wurde gegen den ursprünglichen Esssalon hin geöffnet, in dem neu nun eine frei stehende Kücheninsel in den Raum platziert wurde. Dieser Raum ist nun sowohl vom neuen Wohn-Esszimmer wie auch vom als Vorratsraum umfunktionierten Küchenraum her zugänglich. Die Raum-zu-Raum-Folgen sind ein wiederkehrendes Thema des Innenausbaus. Die bestehenden grosszügigen Durchgänge, die teilweise mit Faltwänden ausgestattet waren, wurden nun vollends geöffnet, und wo Türen unvermeidlich sind, wurden diese formal sehr minimalistisch ohne Türzargen ausgestaltet. Bei den Türklinken entschied man sich für das Modell «Lama», das Gio Ponti bereits 1954 für Olivari designt hat. Für die minutiöse, stimmige Gesamtgestaltung der beiden Interior Designer spricht unter anderem ihr Flair fürs Detail und das wiederum zeigt sich zum Beispiel darin, dass sie von einem Glücksfall reden, dass Dornbracht genau in der Zeit der Umbauplanung mit ihren von Gio Ponti inspirierten Armaturen aufwarteten, die Anne-Christiane Poklekowski und Robert Stephan natürlich mit Handkuss in ihre Badplanung aufnahmen.
Auch in der Wahl der Materialien wurde nichts dem Zufall überlassen. Vieles leiteten die Gestalter vom bereits Bestehenden ab. So zum Beispiel zieht sich der Travertin am Boden durch alle Räume fort. Da wo noch
einer draufgesetzt werden sollte, wählte das Gestalterduo einen einmaligen Marmor mit rosafarbenen Einschlüssen, der sowohl dem Kamin als auch dem Elternbad einen besonders edlen Auftritt verleiht. Die alten Holzarbeiten im Entrée und im Kaminzimmer wurden sorgfältig restauriert.
Von aussen hat sich das Haus kaum verändert. Einzig die Terrasse im Erdgeschoss, die sich früher nur bis zum neuen Essbereich erstreckte, wurde über die ganze Länge der Fassade gezogen. Aber auch hier zeigt sich wieder das Feingefühl für die Geschichte. In Proportion und Ausbildung wurden die Brüstungen zum Beispiel genau wie im Original weitergeführt, und wenn man das ursprüngliche Bild des Hauses aus der Publikation von 1943 als Vergleich nicht zur Hand hätte, würde man den Unterschied kaum ausmachen können.
Die Häuser von Fred Traub können von aussen ganz klar einer Bauhaus-Moderne zugesprochen werden. Einzig das Flachdach war damals scheinbar gemäss Vorschrift noch nicht möglich. Typisch für die Häuser und ganz und gar den Forderungen des Bauhauses nach Licht, Luft und Sonne nachgehend, war und ist die Einbindung der Häuser in die Landschaft. In der Ausgabe von 1943 hiess es wie folgt: «In der heutigen Sehnsucht nach dem Landhaus ist die Verschmolzenheit und Durchdringung von Haus und Garten eine wesentliche Forderung (…) Mit all seinen Balkonen, Fenstern und Terrassen tut sich das Haus freundlich zum Garten hin auf. Der Garten wird als unentbehrliche Erweiterung der Wohnräume empfunden, als ein Saal mit dem Himmel als Decke.»
Die Verschränkung von Innen- und Aussenraum wird mit der neuen Terrasse zusätzlich verstärkt. An der mächtigen Eiche, die auf der historischen Aufnahme noch klein und schmächtig ist, hängt eine Schaukel. Auch wenn das Haus in der Zwischenzeit vom Grossraum der Stadt vereinnahmt wurde, vermittelt es mit seiner Umgebung die ländliche Idylle, wie sie von Fred Traub angestrebt wurde.