5 Schweizer Designerstühle, die man unbedingt kennen sollte

Schweizer Design

Die Geschichte von Designobjekten ist faszinierend und vielschichtig. Oft steckt in einem einzelnen Möbelstück mehr, als auf den ersten Blick erkennbar ist. 

Je mehr man über ein Möbelstück erfährt, desto mehr erkennt man, wie sehr ein Gegenstand mit der Geschichte verbunden ist. Eine witzige Anekdote über einen Stuhl ist ausserdem ein wunderbarer Eisbrecher – vor allem, wenn man selbst auf dem Stuhl sitzt. Ein guter Stuhl besticht nicht nur durch sein Design, sondern muss auch Komfort und Funktionalität bieten. Deshalb gilt er bei Designer:innen als eines der spannendsten Möbelobjekte - wenn nicht sogar als DAS Möbelstück schlechthin. 

Wir stellen fünf der bekanntesten Schweizer Designklassiker unter den Stühlen (und ein Sofa) vor. Viele haben diese Objekte vielleicht schon einmal gesehen, ohne ihre Geschichte zu kennen.



 

Rey Stuhl von Bruno Rey

Seit der Zusammenarbeit von Dietiker AG und Hay sind die Rey Stühle in zusätzlichen Farben erhältlich.

Die Stühle sind stapelbar, weshalb sie gerade in der Gastronomie sehr beliebt sind.

Die schraubenlose Verbindung der Rey-Kollektion.

Ein Foto von Bruno Rey mit einem Kartonmodell des Rey Stuhls.

Seit fünf Jahrzehnten erfreuen sich die geschwungenen Stühle von Bruno Rey grosser Beliebtheit und sind bei Sammlern begehrt. Der Rey-Stuhl, bekannt für seine schraubenlose Konstruktion und seine spielerische Silhouette, wird seit seiner Einführung 1971 gerne gekauft.

Bruno Rey wurde 1935 im aargauischen Brugg geboren. Er studierte an der Kunstgewerbeschule (heute ZhdK) in Zürich und arbeitete mit dem renommierten Designer Willy Guhl zusammen. Das 1873 gegründete Schweizer Traditionsunternehmen Dietiker AG brachte Bruno Reys Entwurf auf den Markt und war massgeblich an der ersten Produktion des Stuhls beteiligt.

Schwebender Look und spielerische Silhouette

Dank der innovativen schraubenlosen Konstruktion ist der Stuhl besonders stabil und wirkt gleichzeitig schwebend. Anfangs wurden die Aluminiumkonsolen noch von Hand im Sandgussverfahren hergestellt.

Ab 1989 ermöglichte der Aluminium-Druckguss die industrielle Fertigung in Grossserie. Dank seiner Bekanntheit entschloss sich die Dietiker AG vor einigen Jahren, diesen wunderbaren Designklassiker in Zusammenarbeit mit Hay in einer Neuauflage auf den Markt zu bringen. Dieser Partnerschaft ist es zu verdanken, dass die Rey-Kollektion heute in neuen Farben wie Tiefblau, Mintgrün und Scharlachrot neu aufgelegt wurde. Die charakteristische Form und die Konstruktion sind gleich geblieben.

 

Panton Chair von Verner Panton

Für die Produktion des Panton Chair wurde Verner Panton zunächst von 15 bis 20 Herstellern abgelehnt, bis schliesslich Vitra die Herausforderung der Entwicklung annahm.

Die unvergleichliche Silhouette des Panton-Stuhls. 

Die Panton-Stühle sind in zahlreichen Farben erhältlich. 

Dieser Designklassiker stammt zwar nicht von Schweizer Designschaffenden, wurde aber vom Dänen Verner Panton in der Schweiz entwickelt. Der experimentierfreudige Designer war fasziniert von Kunststoff und träumte von einem Stuhl, der aus einem Stück hergestellt werden kann. Die Herausforderung bestand darin, einen:eine Hersteller:in zu finden, der:die dies realisieren konnte. Er versuchte es bei rund 15 bis 20 Hersteller:innen, aber keine:r zeigte Interesse an seinem kühnen Entwurf.

In Basel entwickelt

Schliesslich zog Panton 1963 nach Basel und begann seine Zusammenarbeit mit dem Möbelhersteller Vitra. Nach vier Jahren und zehn Prototypen wurde der «Panton Chair», ein Freischwinger aus laminiertem, glasfaserverstärktem Polyester, auf der Kölner Möbelmesse vorgestellt.

Obwohl der Stuhl sofort zur Ikone wurde, experimentierten Panton und Vitra weiter mit Materialien, denn das Modell war nicht stabil genug, um darauf zu sitzen. 1999, ein Jahr nach Pantons Tod, kam die heute populärste Version aus flexiblem, mattem Polypropylen auf den Markt. Interessantes Detail: In seiner Basler Zeit entwarf Panton die berühmte Muschelleuchte, die heute im Restaurant der Kunsthalle Basel, seinem damaligen Stammlokal, hängt.

 

Landi-Stuhl von Hans Coray 

Leicht, stapelbar, robust und witterungsbeständig: der Landi-Stuhl.

Die 91 Stanzlöcher sorgen für Leichtigkeit.

Der Stuhl ist sofort erkennbar und kann vielseitig eingesetzt werden.

Zeitloser Klassiker

Der «Landi-Stuhl» besteht vollständig aus Aluminium und zeichnet sich durch seine neuartige Typologie der dreidimensional verformten Sitzschale auf einem separaten Untergestell aus. Er ist leicht, stapelbar, robust und witterungsbeständig, was ihn zu einem zeitlosen Klassiker macht. Die 91 Stanzlöcher sorgen nicht nur für Leichtigkeit und Flexibilität der bequemen Schale, sondern verleihen dem filigranen Landi auch seinen unverwechselbaren Charakter.

Hans Coray entwickelte den «Landi-Stuhl» 1938 für die Schweizer Landesausstellung von 1939. Diese wurde im Volksmund «Landi» genannt – deshalb auch der Name des Stuhls. Rolf Fehlbaum, Sohn der Gründerfamilie von Vitra und Präsident des Unternehmens, war lange Zeit vom «Landi-Stuhl» fasziniert und betonte, dass er ein Symbol der Moderne sei und seine Bedeutung bis heute aktuell bleibe.

 

«Spaghetti-Stuhl» von Huldreich Altorfer Junior

Die «Spaghetti-Gartenstühle» feierten 2023 ihr 75-jähriges Jubiläum.

Das Design für die Altorfer Serie stammt nicht von einem bekannten Designer.

Aus dem Archiv von Embru von 1990.

Unbekannter Designer, grosse Wirkung

Die ikonischen «Spaghetti-Gartenstühle» haben 2023 ihr 75-jähriges Jubiläum gefeiert. Die farbenfrohen Möbel werden seit 1948 von Embru hergestellt. Besonders der Altorfer Liegestuhl ist ein fester Bestandteil der Schweizer Designgeschichte.

Der klappbare Mechanismus dieses Stuhls ermöglicht eine platzsparende Lagerung – ein Merkmal, das ihn zu einem zeitlosen Klassiker macht. Obwohl viele der Embru-Möbel von renommierten Architekt:innen entworfen wurden, stammt der berühmte «Spaghetti-Liegestuhl» nicht von einem bekannten Designer oder  einer Designerin. Er wurde von Huldreich Altorfer Junior, dem Sohn des damaligen Firmendirektors, entworfen. Trotz seiner weniger bekannten Herkunft hat sich der Stuhl zu einem äusserst erfolgreichen Modell entwickelt und ist heute Teil bedeutender Designsammlungen.

 

Capitol Complex Chair von Pierre Jeanneret

Der handgefertigte Armlehnstuhl «Capitol Complex Chair» wurde ursprünglich für Regierungsangestellte in einer utopischen Gemeinschaft in Indien gedacht.

Schliesslich fand er aber Abnehmer auf der ganzen Welt.

Pierre Jeanneret stand lange im Schatten von Le Corbusier, hat aber massgeblich zum Erfolg der Bürogemeinschaft beigetragen. 

Dieses aussergewöhnliche Designstück gehört zu den klassischen Entwürfen des Designers Pierre Jeanneret. Der Name des Schweizer Architekten und Möbeldesigners ist vielleicht nur wenigen Designliebhabern bekannt. Das liegt aber daran, dass Jeannerets Werk oft im Schatten seines berühmten Cousins Le Corbusier stand.

Die beiden führten viele Jahre lang ein gemeinsames Büro, und Jeanneret war massgeblich an zahlreichen Projekten beteiligt, die heute eher mit Le Corbusier in Verbindung gebracht werden.

Ursprünglich wurde der «Capitol Complex Chair» vor Ort gefertigt

Eines dieser bedeutenden Projekte ist der Kapitol-Komplex in Chandigarh, den Le Corbusier in den 1950er Jahren entwarf. Pierre Jeanneret überwachte 15 Jahre lang die Planung der indischen Planstadt und entwarf dabei auch einige Gebäude sowie die gesamte Originalmöblierung.

In diesem Zusammenhang entstand auch der Capitol Complex Chair um 1955/56. Ursprünglich vor Ort gefertigt, wird der Stuhl heute vom italienischen Designhersteller Cassina produziert, der ihn 2019 in seine Kollektion aufgenommen hat.

Charakteristisch für den Stuhl sind die seitlichen Stützen in Form eines umgekehrten «V». Wie das Original besteht auch die Neuauflage aus massivem Teakholz und verfügt über ein Wiener Geflecht für Rückenlehne und Sitzfläche. Obwohl der Stuhl nicht filigran und eher robust wirkt, entfaltet er seine subtile Wirkung auf eine Weise, die Designliebhaber ins Schwärmen geraten lässt.

 

Terrazza Sofa von Ubald Klug

Je nach Anordnung kann daraus eine einladende Sitzpyramide oder eine ganze Sofa-Landschaft entstehen.

Heute ist das Sofa in einer grossen Auswahl an Stoffen erhältlich.

Das letzte Stück auf unserer Liste ist eigentlich ein Sofa, aber es kann durchaus auch als Sessel durchgehen – es ist einfach zu beeindruckend, um es nicht zu erwähnen.

Inspiriert von Schweizer Weinbergen

Der herausragende Schweizer Designer Ubald Klug entwarf 1974 für die Schweizer Möbelmanufaktur De Sede das ikonische Sofa DS-1025 Terrazza. Als Inspiration für das Sofa dienten die terrassenförmig angelegten Weinberge der Schweiz.

Nach seiner Ausbildung zum Innenarchitekten an der Kunstgewerbeschule Zürich (heute ZhdK) zog Klug 1966 nach Paris, wo er zunächst für das Werbe- und Designstudio Mafia arbeitete. 1972 machte er sich als Innenarchitekt und Designer selbstständig. Das Sofa Terrazza ist einer seiner bekanntesten Entwürfe. Es wurde erstmals 1974 vorgestellt und feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum. 

Die Herstellung des DS-1025 Terrazza erforderte präzises Handwerk und ein tiefes Verständnis der Materialeigenschaften. Klug arbeitete eng mit erfahrenen Handwerker:innen zusammen, um sicherzustellen, dass jedes Element des Sofas perfekt gefertigt wurde. Diese enge Zusammenarbeit ermöglichte es, die visionären Ideen des Designers in ein physisches Produkt umzusetzen.