Laut Heinz weiss das Bauchgefühl in den ersten drei Sekunden, ob man auf einer Rosshaarmatratze schlafen kann oder nicht. Ich kann. Und ich weiss es in dem Moment, wie ich mich hinlege: Es fühlt sich an wie damals das Bett meiner tschechischen Grossmutter. Es ist aber nicht (allein) der nostalgische Wert, der die Matratzen von Heinz Roth von herkömmlichen Matratzen abhebt. Es ist die Tatsache, dass man auf einem reinen Naturprodukt schläft, das jemand von A bis Z in Handarbeit hergestellt hat. Und es ist die Klarheit, die diese Matratzen mit sich bringen. «Ich fertige individuelle Breiten bis maximal 1,60 Meter an, breiter nicht», so Heinz. Seine jahrelange Erfahrung lässt sich nicht von Wünschen nach Matratzen diktieren, die millimetergenau auf die Bettrahmenoberkante angepasst sind. Es werden auch keine Matratzen mit «hier ein wenig härter, da ein wenig weicher» angefertigt. Wer im Coffeeshop einen small Macchiato mit Hafermilch und Topping bestellt, wartet bei Heinz Roth vergeblich auf die vier bis fünf verschiedenen Härtegrade, wie sie bei Standardmatratzen üblich sind. Heinz weiss genau, wie viel Rosshaarfüllung er für welche Körperstatur benötigt.
Es sind nur drei Komponenten, aus denen Heinz die Matratzen herstellt: Reines, chemikalienfreies Pferdeschweifhaar, das er gereinigt, desinfiziert und in langen, gesponnenen Zöpfen von der Rosshaarspinnerei Toggenburger bezieht, Bezugsstoffe aus Frankreich und Österreich sowie ein Vlies aus Ostschweizer Schurwolle, das als «schlichtende» Lage zwischen Pferdehaar und Bezugsstoff fungiert. Auch alle weiteren Vorzüge sind so gewichtig wie die Matratzen selbst, die bei einer Breite von 90 Zentimetern stattliche 20 Kilo auf die Waage bringt. «Betreffend Bettklima gibt es keine bessere Lösung», ist Heinz überzeugt. Rosshaar ist hygroskopisch; Feuchtigkeit wird absorbiert und abgeleitet – somit lassen sich auch Milben lieber woanders nieder. Auch bezüglich Langlebig- und Nachhaltigkeit weisen seine Naturmatratzen eine schwer zu übertreffende Bilanz auf. Nach 15 Jahren kann das Füllmaterial entstaubt und aufgelockert werden. Mit einem neuen Stoffbezug ausgestattet, erfüllt sie weitere 15 Jahre ihren Dienst. Und bei gutem Pferdehaar kann der Prozess nochmals wiederholt werden. Etwa 80 % seiner Aufträge sind Neumatratzen, der Rest sind Auffrischungsarbeiten und Sonderanfertigungen.
Heinz schätzt seine Arbeit, weil sie ihm Ruhe schenkt und das Ergebnis Zufriedenheit und eine wertschätzende Kundschaft mit sich bringt. «Deshalb werde ich wenn möglich noch über mein Pensionsalter hinaus arbeiten wie mein Vater.» Danach wird ein Berufskollege, dem er das Handwerk beibringt, die Arbeit übernehmen – womit die Lebenszyklen vieler weiterer Matratzen gesichert sind.