Das Atelier von Sarah Kueng und Lovis Caputo liegt in Zürich Altstetten. Der Industriebetrieb mitten im Wohngebiet wird auch von verschiedenen Kreativen genutzt. Es gibt genug Platz zum Werken und sogar einen Garten. Dort produzieren die beiden Designerinnen die meisten ihrer Stücke – zumindest die Prototypen, denn vieles entsteht auch in Zusammenarbeit mit Handwerkern. Handwerkliches Know-how stand auch bei einem Auftrag der Luxusmarke Fendi im Vordergrund. Kueng Caputo entwarfen für den Stand von Fendi an der Design Miami letzten Dezember verschiedene Möbelstücke sowie eine Tasche. Dabei verwendeten sie Backsteinziegel und kombinierten dieses Standardmaterial mit hochwertigem Leder des italienischen Lederwarenspezialisten. Während das gepresste Leder durch seine Wellenform an einfaches Wellblech erinnert, erscheinen die mehrfach farbig glasierten Ziegel in einem ganz neuen Licht. Diese Transformation von scheinbar Wertlosem in eine neue ästhetische Sphäre steht für die Erfindungsgabe und Fantasie der beiden Designkünstlerinnen.
Wie habt ihr zusammengefunden?
Kueng Caputo: Wir haben uns schon vor dem Studium kennengelernt. Beide wollten Industriedesign studieren und wir haben gemeinsam eine Reise unternommen, bei der wir verschiedene Hochschulen angeschaut haben. Wir haben die meisten Aufnahmeprüfungen bestanden. Sarah begann dann in Lausanne zu studieren, Lovis aus stipendientechnischen Gründen in Zürich. Während des Studiums haben wir ein erstes gemeinsames Projekt gemacht, «Hosting a Guest», das ziemlich erfolgreich war. Wir modifizierten das Projekt, um es in Mailand auf kleinstem Raum zu zeigen. Das war noch während der Schulzeit. Nach dem Abschluss gründeten wir 2008 unser gemeinsames Studio und das Leben nahm seinen Lauf.
Eure Diplomarbeit «Copy» habt ihr gemeinsam an der ZHdK gemacht. Da ging es um das Thema der Kopie und der Hommage. Könnt ihr dazu etwas sagen?
KC: Wir haben nach einem roten Faden in der Diplomausstellungssituation gesucht, da alle Studierenden einzeln für sich etwas machten. Uns interessierte ein Dialog. Unsere Arbeit bestand aus einer Kopie von Abschlussarbeiten unserer Mitstudierenden und einer Publikation, bei der wir uns mit Arbeiten auseinandersetzten, die wir kürzlich gesehen hatten. Im Design meinen immer alle, Tisch oder Stuhl selber erfunden zu haben. Aber irgendwoher kommt ja die Idee. Wir nennen einfach die Quelle.
Im Design meinen immer alle, Tisch oder Stuhl selber erfunden zu haben. Aber irgendwoher kommt ja die Idee. Wir nennen einfach die Quelle.
Wie wichtig ist das Arbeiten im Duo?
KC: Der tägliche Austausch ist zentral, wir reden mindestens drei Stunden pro Tag miteinander. Allein würden wir nie so viel wagen. Man hat zu zweit auch mehr Distanz zur eigenen Arbeit. Bei der Ideenfindung dauert es am Anfang manchmal länger, weil man sich von bestimmten Ideen auch wieder verabschieden muss. Doch aus den Gesprächen entwickelt sich auch Überraschendes. Auch komplizierte Situationen sind lustiger zu zweit.
Ihr arbeitet häufig mit Handwerkern und Handwerkerinnen zusammen. Welche Rolle spielen diese Kollaborationen?
KC: Handwerk und das Können der Handwerkerinnen faszinieren uns. Wir bemerken zugleich, dass immer mehr Handwerksbetriebe schliessen müssen. Es fehlt die Wertschätzung. Heute will auch niemand mehr ein Handwerk erlernen. Vielleicht ist die aktuelle Krise eine Chance und die Leute merken, dass Konsum eben auch Verantwortung bedeutet. Wir haben alle einen Einfluss darauf.
Die handgemachten Stücke haben entsprechend hohe Preise.
KC: Da wir auch mit Galerien zusammenarbeiten, nutzen wir diese Gelegenheit, um Handwerkern Arbeit zu geben. Niemand hat heute mehr eine Ahnung, wie lange es dauert, etwas von Hand herzustellen. Wir wollen diese Arbeit fair bezahlen, das ist uns sehr wichtig. Leider ist das auf dem globalen Markt – etwa in der Mode – nicht so.
Ihr experimentiert auch viel selber.
KC: Wir gehen häufig von Materialien aus, die uns interessieren, und versuchen dann, neue Anwendungen dafür zu finden. Bei einem Projekt in Sizilien etwa haben wir das Design entworfen und lassen die Handwerker tüfteln. Schon zum Tüfteln braucht es eben gute Kenntnisse des Ausgangsmaterials. Wir sind froh um dieses Know-how.
Ihr macht nicht nur Highend-Design für Galerien, sondern es gibt auch diese Do-it-yourself-Seite in eurer Arbeit.
KC: Auf unserer Homepage haben wir auch Pläne zum Herunterladen und Nachbauen von Stücken. Wir finden es wichtig, dass auch weniger Wohlhabende sich unsere Entwürfe leisten können. Da wir noch wenig Serienprodukte entworfen haben, bleibt es im Moment beim Nachbauen. Wir haben noch nicht herausgefunden, was die ideale Balance ist zwischen diesen Polen. Daran arbeiten wir.
Und was möchtet ihr beim Unterrichten weitergeben?
KC: Wir sind beide kritische und politisch denkende Menschen und wollen selbständiges Denken fördern. Ein Beispiel: Wir sind mit 25 Studierenden in zehn Tagen von Delphi nach Athen gewandert. Wir kamen teilweise an unsere Grenzen. Uns interessierte die kollektive Leistung als Gruppe. Das Thema Kollaboration steht auch da im Zentrum, das kann man auch lernen.
Habt ihr Wunschaufträge?
KC: Am liebsten würden wir etwas im öffentlichen Raum umsetzen. Wir finden es nicht gut, wenn Design etwas Ausschliessendes hat. Eine Bibliothek zu entwerfen zum Beispiel, wäre ein Traum für uns. Ein Raum, zu dem alle freien Zugang haben.
Viele eurer Arbeiten sind ortsspezifisch, das rückt sie in die Nähe zu Kunstinstallationen. Wie steht ihr dazu?
KC: Es ist für uns schwierig die Grenzen zu definieren, das ist einfach die Art, wie wir arbeiten. Wir möchten immer auf den Ort und die Menschen eingehen. So wird ein Projekt erst interessant.
Was sind aktuelle Projekte?
KC: Im September werden wir in Basel präsent sein, wir dürfen aber noch nichts Genaues verraten. Wir machen zurzeit mehrere Umbauten. Das Räumliche interessiert uns sehr. Das ist auch das Thema für die kommende Ausstellung im Museum für Gestaltung.
Kueng Caputo haben soeben den Schweizer Grand Prix Design 2020 gewonnen.