Wer den Sentiero di Gandria entlang des Ceresio unter die Füsse nimmt, gelangt bald nach dem Start des Uferwegs an den Lido San Domenico. Darüber thront, eingebettet in den felsigen Fuss des Monte Brè, ein kleines Gebäude mit rostroter Fassade. Der mittige und frisch restaurierte Schriftzug «Grotto della Roccia» verrät ein wenig, jedoch nicht alles über die Identität des historischen Gebäudes. So hat der um 1850 erstellte Bau seine erfolgreichste Zeit als einfache Gastwirtschaft, als «Grotto», erlebt, das sogar eine Boulebahn auf einer Terrasse unterhielt. 1920 wurde der Betrieb jedoch eingestellt und der Bau sich selbst überlassen, bis die Stadt Lugano ihn 1972 erwarb.
Im Zuge einer ganzheitlichen Aufwertung des Gebietes, bei dem Wege, Treppen und der Park mit Olivenhain instandgesetzt und überarbeitet wurden, hat der Architekt Enrico Sassi in Zusammenarbeit mit dem Umwelttechnikbüro Oikos nun auch das Grottorenoviert. Um es für die zukünftige Nutzung als Veranstaltungsort fit zu machen, waren die statische Sicherung, eine interne Erschliessung und der Einbau von Nasszellen relevant. «Die Besonderheit des Gebäudes – die Hälfte davon besteht aus Felsen – brachte uns auf die Idee, die Gebäuderückwand zu entfernen», erklärt Enrico Sassi. Damit wurde der erforderliche Platz für die neue Betontreppe mit Brüstungen aus oxidiertem Roheisen geschaffen, die nun das Erd- mit dem Obergeschoss verbindet.
Neue Stahlbetonwände und -decken fassen diese neue Verbindung und sichern das ursprüngliche Gebäude, indem sie es vollständig mit dem dahinter liegenden Felsen verbinden. Diese fast brutale Rohheit der neuen Elemente steht im spannungsreichen Kontrast zu den bestehenden – Felsgestein, bröckelnde Backsteinmauern, Verputz mit verblichenen Malereien, farbige Bodenkacheln – und erzeugt eine faszinierende Stimmung des freundschaftlichen Kräftemessens zwischen den Materialien sowie der Vergangenheit und dem Heute. Auch im Untergeschoss, einem in den Felsen gehauenen Tonnengewölbekeller, ringen Fels und Betonwände miteinander und erinnern dabei vage an eine Festungsanlage. Gewölbte Betonmauern nehmen hier eine Toilette und eine Wasserstelle auf. Dem Neuen gegenüber heben sich die ursprünglichen, gebauten Elemente des Grottos fast lieblich ab.
Diese wurden mit viel Sorgfalt restauriert. Die rötliche Fassade mit ihrem von weitem sichtbaren Schriftzug «Grotto della Roccia» und der durch die Trompe-l’œils verspielten, beinahe humorvollen Malerei wirkt so einladend, dass selbst die vielen Treppenstufen vom Ufer hoch nicht abschrecken. Ein neu angelegter Aussenbereich ergänzt hier die bestehende Terrasse. Für deren Bodenpflaster wurden ein lokaler Stein – der Sasso di Caprino –, wiederverwendete Steine und Platten aus der Stadt Lugano sowie Streifen von alten, ausgedienten Strassenschildern aus weissem Marmor verwendet. Die gelungene bauliche Transformation dürfte nun auch der zukünftigen Nutzung des Grottos als Veranstaltungsort für verschiedene Anlässe frischen Wind verleihen. Dieser weht bereits als warmer Luftzug durch den wiederbelebten Olivenhain und über den Luganersee.