Geschichtenerzähler

Denkmalpflege

In manchen Fällen ist das Gebäude schon seit Generationen im Besitz derselben Familie und irgendwann einmal unter Denkmalschutz gestellt worden. Andere Bauherr*innen verlieben sich in ein Haus und arrangieren sich damit, dass es unter Schutz steht. Und wieder andere entscheiden sich ganz bewusst für ein geschütztes Gebäude. Die Erfahrungen, die Bauherr*innen in der Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege machen, sind unterschiedlich. Die meisten aber sind froh und dankbar für den wertvollen Austausch, die Tipps und die Unterstützung durch die Expert*innen. Die Schätze, die die geschützten Gebäude in sich tragen, kommen oft erst bei Renovierungen und Umbauten ans Tageslicht. Und fest steht: Ohne das Fachwissen der Denkmalpflege würden viele dieser Schätze für immer verloren gehen.

Die grosse geschlossene Dachfläche, historische Fenster und eine lebhafte Patina der punktuell reparierten Fassaden begründen die eindrückliche Erscheinung des geschichtsträchtigen Bürgerhauses.

Der Treppenaufgang und die innere Erschliessung blieben unverändert, sodass sich die Eingriffstiefe der Baumassnahmen minimal hielt.

Die herausragende, barocke Bemalung dieser Stube mit Holzvertäfelung mit Reitern, Jägern und einer Vielzahl an Tieren in Fantasielandschaften zeugt vom gesellschaftlichen Rang der damaligen Hauseigentümer*innen.

Liebe und Faszination bewogen die heutige Eigentümerin Tina Monti und ihren Partner, den bildenden Künstler Georges Wenger, dazu, in diesem stattlichen Bürgerhaus im Kanton Schaffhausen Wohnsitz zu nehmen. Die geschichtsträchtigen Räume relativieren und entschleunigen, ist Tina Monti überzeugt. Nichts ist hier im Lot, alles ist etwas verbogen und trotzdem ausbalanciert. Der Architekt Martin Haist liess sich bei der Renovierung von der Geschichte und den Gesetzmässigkeiten des Hauses leiten. Gemeinsam mit der Bauherrin und der Denkmalpflege näherte er sich dem Gebäude an, das mit einer komplexen Baugeschichte und einem Geflecht von vielen Räumen überrascht. Über Jahrhunderte ist das Haus organisch gewachsen, es wurde angepasst, erweitert und wieder verkleinert. Einige Bewohner*innen verewigten sich und ihren sozialen Status, indem sie von Künstler*innen eindrückliche Raumausstattungen erstellen liessen. Die spätbarocken Malereien in den Stuben mit Holzvertäfelungen dürften in der Schaffhauser Kunstlandschaft einmalig sein. Die jüngsten Baumassnahmen wurden vom Architekten und der Bauherrin auf das Wesentliche beschränkt und gegenüber der Bausubstanz äusserst rücksichtsvoll geplant.

Das Engadinerhaus mit tiefen Fensterschluchten und sgraffitoverzierter Fassade wurde jüngst umgebaut. Das Tor führt ins Kellergeschoss, wo heute eine Galerie in den ehemaligen Ställen eingemietet ist.

Beim Abbruch kamen eine massive Holzwand (links) und statisch relevante Stützen zum Vorschein. Sie haben das Projekt entscheidend geprägt und kontrastieren nun als «objects trouvés» die neuen Elemente.

Die heutige Situation, in der neue Elemente in einen ausgewogenen Dialog mit alten Strukturen treten, erlaubt spannende Durchblicke und Lichtmomente.

Die Architektin Salomé Gutscher hat gemeinsam mit Lukas Lenherr das Ferienhaus ihrer Familie umgebaut. Einst Pferdewechselstation der Albulapost und das Zuhause vieler Generationen von Bauernfamilien, prägt es seit dem 16. Jahrhundert den östlichen Dorfeingang Madulains im Schweizer Kanton Graubünden. Während sich bei dem alten Gebäude äusserlich und im Kellergeschoss kaum etwas verändert hatte, waren in den Wohngeschossen über die Zeit unzählige strukturelle und räumliche Anpassungen vorgenommen worden. Eine dringend notwendige Sanierung der sanitären Anlagen und die Möglichkeit, das Haus durch den Anschluss ans Fernwärmenetz der Gemeinde energetisch à jour zu bringen, initiierte denn auch die Realsierung weiterer Wünsche: Das Labyrinth an Gängen und Räumen im Sulèr sollte geklärt werden und eine geselligere Küche das beengende Modell aus den 1970er-Jahren ersetzen. «Dass der ursprüngliche Haupteingang wieder als solcher genutzt wird, ist eine der Errungenschaften des Umbaus», sagt Salomé Gutscher. Das Projekt ist Auseinandersetzung mit dem Ursprung. Mit dem Entscheid der Familie, das Haus weiter gemeinsam zu nutzen anstatt es aufzuteilen, es mit einer Galerie und mit lokalem Gewerbe zu teilen, werden seine ursprünglichen Qualitäten gewahrt: ein wandelbares Gefäss für die unterschiedlichsten Nutzungen und Bedürfnisse zu sein.

Das Bahnwärterhaus bei der Thurbrücke in Ossingen im Kanton Zürich ist ein Zeitzeuge der Industrialisierung und hat auch heute noch Repräsentationscharakter.

Um das Gesamtbild nicht mit modernen Elementen zu durchbrechen, haben der Bauherr und die Bauherrin für die Einrichtung gezielt nach alten Stücken gesucht. Der Ofen im Esszimmer (links) stammt aus demselben Jahr wie das Gebäude.

Das Bad entstand über dem ehemaligen Schweinestall. Der Zugang erfolgt über einen praktischen Durchgang zwischen Eingang und Erkerzimmer.

Von ganz anderer Dimension ist dieses kleine, aber feine Projekt im Kanton Zürich. Blättler Heinzer Architektur haben hier ein denkmalgeschütztes Bahnwärterhaus für die eisenbahnbegeisterte Bauherrschaft zum Wochenendhaus umgebaut. Entstanden ist ein stimmiges Ganzes, das den alten Bestand hervorhebt und harmonisch mit neuen Elementen ergänzt. Das anfangs unscheinbare Gebäude ist auf viele Arten ein Unikat. Einerseits bildet es mit der gleich daneben liegenden Thurbrücke ein einzigartiges architektonisches Ensemble, andererseits wurde es – höchst aussergewöhnlich für seine Zeit – für eine weibliche Bahnwärterin erbaut. Auf dieses vergessene Stück Geschichte stiessen Bauherrin und Bauherr bei der Recherche im historischen Archiv der Schweizerischen Bundesbahnen. Der Wunsch der beiden war es, dem originalen Gebäude beim Umbau so treu wie möglich zu bleiben, aber gleichzeitig einen modernen Lebensstandard zu ermöglichen. Seit der ersten Begehung war die Denkmalpflege sowie ein Restaurator der Firma T. Neuweiler mit vor Ort. «Diese Zusammenarbeit hat uns geholfen, den Wert der alten Substanz zu erkennen und den Fokus immer wieder auf den Bestand zu legen», so Danièle Heinzer. Vieles musste erneuert werden, wie etwa die Gebäudehülle. Die Fassade mit den Ecklisenen wurde komplett rückgebaut, während alle Fenster mit neuen, filigran nachgebauten Modellen ersetzt wurden. Dringend nötig war auch der Badanbau, denn zuvor gab es nur eine rudimentäre Dusche im alten Stall. Mit traditionellen Bautechniken wurde eine Verbindung zwischen den alten und neuen Bauteilen geschaffen und so ein harmonisches Endresultat erzielt.

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