Geht man in der norwegischen Hauptstadt auf Erkundungsreise, kann man überall Entwürfe von Atelier Oslo entdecken. Unter Berücksichtigung von Raum, Mensch und Umwelt entwickelt das Architekturbüro vielseitige und facettenreiche Projekte. Stets auf der Suche nach innovativen, nachhaltigen und einzigartigen Lösungen beruht die Arbeitsmethode von Atelier Oslo stets auf Neugier und inter disziplinärer Zusammenarbeit.
Einige Projekte des 2006 von Jonas Norsted, Marius Mowe, Nils Ole Bae Brandtzæg und Thomas Liu gegründeten Architekturbüros sind öffentlich zugänglich – so beispielsweise die ehemalige amerikanische Botschaft oder das Kulturzentrum Sentralen, das in einem Bankgebäude aus dem Jahr 1899 untergebracht ist. Unweit davon liegt ein Grossprojekt, an dem Atelier Oslo rund ein Jahrzehnt gearbeitet hat, das für Aufmerksamkeit sorgte und mit Architekturpreisen ausgezeichnet wurde: die markante Deichman-Bibliothek, die das Operngebäude von Snøhetta flankiert, dem anderen international bekannten Architekturbüro Norwegens.
Im Rausch der Bibliothek
Die Deichman-Bibliothek war eines der ersten Projekte überhaupt, die Atelier Oslo umgesetzt hat. Dabei hatten sich die jungen Architekten in einem Architekturwettbewerb gegen weitaus bekanntere Büros durchgesetzt. Sie hätten sich erst gar nicht getraut, die Ausstellung zu besuchen, bei der alle Wettbewerbsbeiträge öffentlich vorgestellt worden seien – das erzählt Jonas Norsted, als wir ihn in seinem Studio treffen. Doch nachdem sie den Zuschlag für das Millionenprojekt bekommen hätten, hätten sie einfach losgelegt. «Learning by doing» sozusagen.
Gestalterischer Clou des Gebäudes, das in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Lundhagem entstanden ist, ist das charakteristisch gefaltete Dach, das über die Grundfläche hinausragt. Das komme daher, dass das Grundstück relativ klein sei und man nicht zu stark in die Höhe habe bauen wollen, so der Architekt. Das Innere der Bibliothek überrascht beinahe noch mehr, denn drei Lichtschächte durchschneiden das Gebäude diagonal und bilden ein spektakuläres Atrium, das über sämtliche Etagen reicht. Hier bestimmt der Wechsel zwischen offenen und geschlossenen Räumen das Bild. Eingerichtet mit Designermöbeln, laden sie zum Lesen und Loungen ein und bieten spannende Ausblicke auf die Stadt und das Wasser. Norsted wirkt noch immer ein wenig erstaunt, als er erzählt, dass Prinzessin Ingrid Alexandra von Norwegen sich die Bibliothek ausgesucht habe, um hier ihren 18. Geburtstag zu feiern.
Den Stempel aufgedrückt
Atelier Oslo hat der Stadt in den rund 20 Jahren seit der Gründung seinen architektonischen Stempel aufgedrückt – mit stadtplanerischen Projekten ebenso wie mit künstlerischen Interventionen, privaten Wohnhäusern und Umbauten bestehender Gebäude. Zwar sind ihre Entwürfe eher leise, jedoch immer mit einem gestalterischen Twist versehen, wie die Cabin Norderhov zeigt. Das in einem Wald nördlich von Oslo gelegene Ferienhaus be steht weitgehend aus vorgefertigten Elementen und ist mit Basaltsteinplatten verkleidet. Zwar wirkt es mit seinem Birkensperrholz-Interieur durchaus skandinavisch, doch der ungewöhnliche vierflügelige Grundriss sowie die organisch geformten Wände und Decken erzeugen einen temporären Look. Oder das Bay Window House in der norwegischen Provinz Nordland: Die Erker jeder der vier Wohnungen sind um jeweils 45 Grad zur Gebäuderichtung gedreht. Sie rhythmisieren die Fassade, sodass Abwechslung entsteht.
Bauen im Bestand
Atelier Oslo hat eine Vorliebe für das Bauen im Bestand, wobei die realisierten Projekte eine überraschende Experimentierfreude zeigen. Unweit der Fussgängerzone Karl Johans Gata in Oslo haben die Architekten beispielsweise zwei Altbauten aus den 1880er-Jahren räumlich miteinander verzahnt. Nun vereinen sich hier mehrere Medienunternehmen und ein Café-Restaurant unter dem Dach des norwegischen Pressehauses. Dafür wurden die Fassaden in ihrer ursprünglichen Farbe und Materialität restauriert und passen sich nun der Umgebung an. Atelier Oslo überdachte zudem den Innenhof des einen Gebäudes und funktionierte es samt der historischen Ziegelwände und Stahlkonstruktionen zum Eingangsbereich um. Das neu entstandene Atrium wirkt luftig, wobei brückenartige Stege aus Eschenholz als Verteiler dienen und ein gestalterischer Eyecatcher sind.
Eero Saarinen reloaded
Auch an den Umbau einer echten Architekturikone hat sich Atelier Oslo gewagt, der denkmalgeschützten amerikanischen Botschaft von Eero Saarinen aus den 1950er-Jahren, einer der wenigen Bauten des amerikanisch-finnischen Gestalters in Europa. In einer erneuten Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Lundhagem wurde die Botschaft in ein multifunktionales Gebäude namens Ambassaden umgewandelt – samt Büros, Konferenzräumen und Restaurants. Das Café im Erdgeschoss ist übrigens einer der Lieblingsorte von Jonas Norsted. Gut möglich also, dass man ihn dort bei Cappuccino und Zimtschnecke antrifft.