In der Pandemie haben sich die elf Designerinnen aus Berlin als Kollektiv «Matter of Course» zusammengeschlossen – erst um in der aussergewöhnlichen Situation einen Raum für Austausch und Unterstützung zu schaffen, danach um neue Ideen zu entwickeln, sich gegenseitig bei Fragenstellungen rund um den Designprozess zu helfen, Synergien effizient zu nutzen und den Diskurs, um mehr Nachhaltigkeit und Diversität im Design anzuregen.
Nach knapp drei Jahre haben sich zwar die äusseren Umstände verändert, die Vision des Designkollektivs «Matter of Course» ist jedoch geblieben.
Harmonie über die Disziplinen hinweg
Die gebündelte Power der elf Designerinnen manifestierte sich in den vergangenen Monaten bereits in verschiedenen Projekten, wie der Ausstellung «ICH und DU» in Zusammenarbeit mit den Kuratorinnen Anna Carnick sowie Wava Carpenter und Dr. Hauschka als Sponsor an der Milano Design Week 2022 oder jüngst mit dem Editorial «Collective Spaces», welches im Juni 2024 in den Wilhelm Hallen in Berlin präsentiert wurde.
Bereits in früheren Gemeinschaftsausstellungen haben die Designerinnen realisiert, dass ihre Produkte gut miteinander harmonieren. Obwohl sie aus verschiedenen Disziplinen kommen und auch unterschiedliche Arbeitsweisen aufzeigen, so haben sie alle gemeinsam, dass sie selbstständig arbeiten und sich bewusst mit einem fairen Herstellungsprozess und nachhaltigen Materialen auseinandersetzen.
«Es ist wichtig, Prozesse klug zu durchdenken, Produktionen konsequent nachhaltig weiterzuentwickeln und durch faire und erfüllende Partnerschaften einen neuen, wertebasierten Luxus zu schaffen.»
Luxus, der wertebasiert ist
In ihrer Diversität und in der gebündelten Kraft und Expertise sehen die Designerinnen auch den Schlüssel, für einen gesunden und nachhaltigen Wandel in der Designbranche, der dringend notwendig ist. Gemeinsam können sie einen öffentlichen Diskurs anregen, den eine einzelne kaum bewirken könnte.
Die rasanten Veränderungen in der Designbranche stellt die elf Designerinnen heute nämlich vor neue Herausforderungen. Während es in der Pandemie die fehlende Sichtbarkeit und der Austausch nach aussen war, sind es heute mehr die inneren Prozesse, welche die Designerinnen beschäftigen.
Dabei ist jede Gestalterin mit ihren individuellen Herausforderungen konfrontiert, bekräftigt Milena Kling von Studio Kling: «Im Bereich von mundgeblasenem Glas sind zum Beispiel die Produktionskosten über die letzten Jahre sehr gestiegen. Viele Glashütten schliessen und Energie wird immer teurer.
Da ist es wichtig, Prozesse klug zu durchdenken, Produktionen konsequent nachhaltig weiterzuentwickeln und durch faire und erfüllende Partnerschaften für alle Beteiligten und die Produktion von wirklich besonderen Unikaten, die als Sammlerstücke diesen Wert widerspiegeln, einen neuen Luxus zu etablieren, der wertebasiert ist. Das bedeutet aber auch, dass meine Gläser und Skulpturen exklusiv werden, und mittlerweile als Funktional Art gehandelt werden. Das ist ein Thema, das mich beschäftigt»
Eine nachhaltige und faire Produktion ist für die Elf eine Selbstverständlichkeit und ein Thema, mit dem sich alle individuell und sorgfältig auseinandersetzen. Für Heike Buchfelder heisst das, dass sie neue nachhaltige Materialien erkundet. «In den letzten Jahren werden mehr und mehr neue Materialien entwickelt, die sich in den natürlichen Kreislauf zurückführen lassen. Mich fasziniert beispielsweise Seegras, ein nachwachsendes Material, das nicht brennt, als Dämmstoff eingesetzt werden kann und mit dem zunehmend experimentiert wird.»
Erfahrung und Leidenschaft für ein nachhaltigeres Konsumverhalten
Das überschwängliche Konsumverhalten ist ein weiteres Problem, das die Designbranche beschäftigt. Porzellandesignerin Claudia Schoemig erinnert sich an ihre kritische Auseinandersetzung mit ihren eigenen Produkten: «Für mich gab es einen Punkt in meinem Leben, wo ich mich fragte, ob ich wirklich noch mehr Objekte in die Welt hinausbringen möchte. Dann wurde mir klar, wenn ich mit meiner jahrzehntelangen Erfahrung dieses fantastische Handwerk zelebriere und Gefässe so kreieren kann, dass sie Menschen wirklich berühren, dann macht das Sinn, dann kann ich das mit einem guten Gefühl tun.»
Dieses Feingefühl und diese Leidenschaft nicht nur für ihre Produkte, sondern für den gesamten Arbeitsprozess, zeigt den gemeinsamen Nenner von «Matter of Course».
Egal ob sie traditionelle Handwerkskunst bewahren, neu interpretieren oder mit neuen Methoden, Materialien oder Produktionsprozessen experimentieren, im Fokus steht eine verantwortungsvolle Auseinandersetzung mit allen Facetten, die den Beruf als Designerin einbezieht. Produkte zu kreieren, die Trends überdauern und zu zeitlosen Liebhaberobjekten werden.
Neue Möglichkeiten durch Agilität
Ihre Chance sehen die Designerinnen vor allem in ihrer Selbständigkeit und der damit verbundenen Wendigkeit und Offenheit: «Wir sind nahe an der Produktion, nah am Material, sodass wir neue Lösungen erkennen und die gesamten Prozesse verändern können», so Milena Kling. «Dies wiederum bringt neue Möglichkeiten für Grossunternehmen, die ihre Prozesse neu und nachhaltiger denken und ausrichten können.»
Gleichzeitig bringt diese unabhängige Arbeitsweise auch ihre Tücken. Manchmal feilen die Designerinnen Monate, wenn nicht Jahre an einem Produkt. «Wir haben eine klare Idee und wollen, dass diese genauso umgesetzt wird», erklärt Heike Buchfelder. «Auch wenn es oftmals sehr viel erfordert und viele Wege gegangen werden, es ist das, was uns Energie gibt, ohne eine solche Vision fehlt den Produkten der Spirit.»
Dieser Spirit zieht sich wie ein roter Faden durch das Kollektiv. Sei es das filigrane Porzellangeschirr von Claudia Schoemig, das immer mehr in Fine-Dining-Restaurants zum Einsatz kommt, die einzigartigen Teppichkreationen von Mareike Lienau von Lyk Carpet, die in Nepal handgeknüpft werden oder die funktionalen und hochwertigen Massivholzmöbel von Carolin Zeyher. Die wundervoll poetischen Objekte von Milena Kling, welche die Grenzen zwischen Design und Kunst auflösen oder die handgefertigten Leuchten von Heike Buchfelder, die zu Sammlerobjekten werden.
Ein ganzes Hotel wäre spannend
Im Januar 2025 können wir die individuellen Kreationen der Designerinnen in einer neuen Ausstellung an der Maison et Objet in Paris bewundern. «Es ist ein grosses und aufregendes Projekt für uns, aber wir können noch nicht viel dazu sagen», so Claudia Schoemig. Schön wäre, die gebündelte Kreativität von «Matter of Course» auch mal in einem grossen Gemeinschaftsprojekt zu sehen – wäre das ein Traum? «Ja, natürlich, die Gestaltung eines Hotels wäre sehr spannend für uns und da wir auf verschiedenen Ebenen spielen, könnten wir das auch als Gruppe umsetzen», so Heike Buchfelder.
Es ist genau diese Freude am Experimentieren, diese ungezwungene Bereitschaft, neue Wege zu gehen und eine Euphorie, die inspiriert und das Kollektiv ausmacht. Oder wie es Milena Kling so schön zusammenfasst: «Wenn man etwas kreiert, hat das immer etwas mit Optimismus zu tun, weil man etwas für die Zukunft erschafft und ich glaube dieser Optimismus ist das Wichtigste in der heutigen Zeit.»