Der deutsche Designer Michael Raasch kreiert einzigartige Objekte und hat sich vor allem mit seinen Leuchten weltweit einen Namen gemacht. Doch nicht nur sein Werk als Designer ist faszinierend, sondern auch sein Werdegang.
Seit Dekaden fordert sich Raasch immer wieder selber heraus, in dem er neue Objekte kreiert, aber auch seine Tätigkeit als Unternehmer hinterfragt. Im Gespräch erzählt uns Raasch über seine Kollektionen, sein Designverständnis und darüber, was eine gute Leuchte ausmacht.
Wie bist du zum Design gekommen?
Michael Raasch: Über Umwege, ich hatte einige andere Studiengänge ausprobiert, unter anderem Raumfahrttechnik, mich nebenbei in Kunst eingeschrieben und kam dann eher zufällig zum Design. Es war dann dieses Zusammenspiel aus dem gestalterischen, kreativen Prozess mit der technischen Umsetzung, was ich sehr spannend fand.
Du schaust bisher auf eine ungewöhnliche Laufbahn zurück: Du hast dich selbständig gemacht, deine Werke verkauft – aber dann wieder zurückgekauft. Das geschieht selten. Warum?
MR: Die Produkte sind damals sehr gut angekommen und wir sind schnell gewachsen. Damit kommen dann auch die typischen Herausforderungen an Vertrieb, Fertigung und Skalierbarkeit. Ich wollte mich damals auf das Design konzentrieren und nicht auf die Produktion. Ich hatte meine Kollektion deshalb vor über zehn Jahren verkauft. Die Produkte sind aber leider in der Gesamtkollektion des Herstellers untergegangen und wurden auch nicht weiterentwickelt, deshalb habe ich mich entschieden, die Lizenzen zurück zu erwerben und die Produkte wieder unter der Marke raasch selbst aufzulegen.
Wäre ansonsten deine DNA, die Identität deiner Kreationen verloren gegangen?
MR: Ja und nicht nur das, es ging mir auch darum, die Idee hinter der Kollektion mit neuen Produkten und Ansätzen weiterzuführen. Viele Händler und Planer haben das sehr positiv aufgenommen und uns unterstützt. Der Markenrelaunch im Designschloss Bosfeld war ein voller Erfolg und wir haben seitdem viele neue Platzierungen und Projektanfragen bekommen.
Hast du dich mit dem Relaunch auch selbst wieder neu ausgerichtet?
MR: Wir haben ausgehend von den Produktideen eine klare Strategie entwickelt und die CI konsequent durchgestaltet, vom Katalog, über Website bis hin zu Instagram ist alles aus einem Guss. Ausserdem haben wir uns entschieden, die Produkte rein über den gehobenen Fachhandel, vor allem beim Handel mit Leuchten und Möbel, zu vertreiben und nicht online, um Händler und Planer zu unterstützen.
«Viele Händler und Planer haben das sehr positiv aufgenommen und uns unterstützt.»
Lufthansa ist ein gutes Stichwort, weil zu deinen Kunden neben internationale Möbel- und Design-Unternehmen eben auch Unternehmen wie Lufthansa oder Volkswagen zählen. Machst du das noch immer?
MR: Zu Beginn meiner Designkarriere hatten wir eine Agentur, die nicht nur Produktkonzepte, sondern auch Markenevents umgesetzt hat, inklusive einiger grosser Jobs von Volkswagen. Bei Lufthansa habe ich einige der Bordprodukte gestaltet und dann später in meinem Job als Produktmanager auch umgesetzt. Das war eine sehr interessante Zeit, weil ich tatsächlich in dem Spannungsfeld zwischen Design, Engineering und Umsetzung komplett verantwortlich war. Bei solchen Volumen haben teilweise zwei Stellen hinter dem Komma einen grossen finanziellen Impact.
Also jonglierst du zwischen Kunst und Kommerz?
MR: Wenn ich heute Produkte gestalte, denke ich immer an die möglichst effektive und minimale Umsetzung, um Ressourcen zu sparen. Einfache Produkte die langlebig sind, sind meiner Meinung nach der beste Beweis für eine gute Symbiose aus Kunst und Kommerz....
Du bist ein sehr vielseitiger Designer und bewegst dich in verschiedenen Disziplinen. Leuchten, Stühle, Geschirr... welches ist dein Lieblingsprodukt fürs Designen?
MR: Jedes Produkt hat seine besonderen Herausforderungen. Es ist aber nicht so sehr das einzelne Produkt, was ich spannend finde, sondern der Kontext, in dem diese Produkte vermarktet und positioniert werden. Was mich interessiert ist genau dieser Zusammenhang, das Umfeld, in dem eine Marke positioniert ist und welche Produktkonzepte dazu passen. Du kannst ein noch so tolles Produkt entwerfen, wenn es zur falschen Zeit beim falschen Hersteller ist, und auch mit der falschen Zielgruppe, dann wird es ein Flop. Genau diese ganzen Parameter zusammenzubringen finde ich sehr reizvoll.
Verstehe, aber trotzdem bist du vor allem auch mit deinen Leuchten bekannt geworden, richtig? Sind Leuchten also letztlich schon deine Präferenz?
MR: Ich habe mich die letzten Jahre hauptsächlich mit Leuchten beschäftigt. Produkte um das Thema Licht sind etwas sehr Besonderes und haben eine spezielle Herausforderung – sie müssen gut aussehen, wenn sie nicht leuchten und sie müssen funktionieren, wenn sie leuchten und sollten dann auch nicht blenden und gutes Licht geben...Es ist diese Kombination aus Skulptur, Funktion und Licht, die eine Einheit bilden sollte.
Welches ist dein erfolgreichstes Objekt, also von den Verkaufszahlen, oder auch Auszeichnungen?
MR: Die weltweit am meisten verkauften Produkte sind sicher die von WMF, die Barserie LOFT hat alle möglichen nationalen und internationalen Designpreise gewonnen und wurde über 25 Jahre sehr erfolgreich weltweit verkauft. Was die «Verkaufszahlen« angeht, für Lufthansa habe ich mal eine innovative Verpackung entwickelt, da reden wir dann über dreistellige Millionenbeträge in der Umsetzung.
«Du kannst ein noch so tolles Produkt entwerfen, wenn es zur falschen Zeit beim falschen Hersteller ist, und auch mit der falschen Zielgruppe, dann wird es ein Flop.»
Du bist seit Jahrzehnten ein renommierter Designer in Deutschland. Was zeichnet deine Konstanz im Business aus?
MR: Ich bin meiner Linie und Design-Auffassung immer treu geblieben und würde nichts machen, wo ich nicht voll dahinterstehe – oder wo ich meinen Namen nicht drunter schreiben würde. Der Entwurfsprozess fasziniert mich immer wieder aufs Neue. Dazu denke ich jedes neue Produkt für sich. Dennoch habe ich klare Eigenschaften im Kopf, die ein gutes Produkt haben sollte: Ich habe eine grobe Vorstellung oder Idee und suche dann meist sehr lange bis das Produkt so ausgearbeitet ist, dass es möglichst einfach, minimal und interessant ist.
Würdest du dich auch der deutschen Handwerksqualität zuschreiben?
MR: Was die Fertigung der Produkte für raasch angeht, so werden diese überwiegend von kleinen lokalen Handwerksbetrieben in Deutschland gefertigt. Das ist dann tatsächlich noch deutsche Handwerkskunst, wenn man in die wenigen, noch übrig gebliebenen Metallbetriebe reinschaut.
Wo findest du deine Inspirationen?
MR: Für mich gibt es ganz verschiedene Orte der Inspiration. Man geht ja als Designer immer mit offenen Augen durch die Welt und sucht nach neuen Lösungen, interessanten Formen, Materialien oder Fertigungsmöglichkeiten. Ich gehe eher strategisch vor: Markt, Wettbewerb, Positionierung – und versuche mir erst mal einen Überblick zu verschaffen. Dann überlege ich: Wie sieht meine Interpretation des Themas aus? Wie würde ich es mit meiner Handschrift und Sichtweise auf die Dinge umsetzen? Und natürlich auch, wie die Idee dahinter sein kann, um etwas Besonderes – eine Funktion, ein Material oder eine Ausprägung – zu finden.
«Ich denke jedes neue Produkt für sich.»
Verrätst uns gerne noch drei Einrichtungstipps?
MR: Ich mag zum einen minimalistisch, monochrome Farben mit interessanten Formen und Funktionen. Dann finde ich Kontraste ebenfalls wichtig. Aber das Wichtigste ist für mich, ein ganzheitliches Konzept zu haben und sich ein Interior zu schaffen, indem man ankommen und sich wohlfühlen kann.
Was sind deine nächsten Projekte und Designs?
MR: Wir werden das Produktportfolio der raasch Kollektion konsequent weiterentwickeln und ausbauen. Aktuell haben wir viele Projektanfragen und die Kollektion eignet sich hervorragend für Hotels, Gastronomie sowie im Bereich New Work. In diesem Bereich werden neue Produkte entwickelt. Ich beschäftige mich auch gerade mit dem Thema AI und frage mich, was es für die Möbel- und Einrichtungsbranche bedeutet. Wir befinden uns in einer sehr spannenden Zeit.