Zwischen Design, Kunst und Architektur

Ausstellung: «Susi + Ueli Berger. Kunst am Bau und im öffentlichen Raum»

Ein heller Raum verschiedenen Bildern an der Wand.

Der Ausstellung gelingt es, die Einzigartigkeit des Werks von Susi und Ueli Berger freizulegen und es zugleich in den historischen Kontext zu betten.

Der Schubladenstapel oder die Wolkenlampe von Susi (1938 – 2019) und Ueli Berger (1937 – 2008) gehören zu den Ikonen des Schweizer Designs. Die Grafikerin und Designerin sowie der Designer und Künstler sind hierzulande keine Unbekannten. Während den vierzig Jahren ihrer Zusammenarbeit entstand ein vielseitiges Werk. Doch wie erklärt sich, dass ein wesentlicher Teil ihres Wirkens weitgehend unbekannt ist? Die Rede ist von ihren Arbeiten im Bereich der Kunst; viele davon befinden sich im Kanton Bern, wo die beiden auch wohnten. Wie passt das eigentlich zusammen: Kunst und Design? Die Ausstellung «Susi + Ueli Berger. Kunst am Bau und im öffentlichen Raum» im Kunsthaus Langenthal zeigt anschaulich, wie diese beiden Bereiche bei den Bergers fliessend ineinander übergingen. Die beiden praktizierten Transdisziplinarität, bevor dieser Terminus überhaupt existierte. In diesem Zusammenhang gilt es allerdings zu erwähnen, dass gerade die 70er-Jahre stark von Experimenten an der Schnittstelle zwischen Design, Architektur und Kunst geprägt waren.

Die Kurator*innen Raffael Dörig, Anna Niederhäuser und Mirjam Fischer scheuten sich nicht, die Archiv-Dokumente direkt an die Wände zu pinnen, ohne schützendes Glas.

Eine Anspielung an das «Chribel» (1986) in Bern. 

Die zahlreichen Exponate aus dem Nachlass, der durch den Verein U+S Berger aufgearbeitet wurde, geben einen Einblick in die Fülle ihrer Projekte. Diese sind in der Schau nach wiederkehrenden Motiven gegliedert. Das zeigt, wie intensiv sich die beiden Kreativen mit bestimmten Themenfeldern auseinandersetzen und regelmässig auf diesen Fundus an Ideen zurückgriffen. Von den 150 Entwürfen in den Kategorien Kunst am Bau, Kunst im öffentlichen Raum und Signaletik konnten immerhin 70 realisiert werden. An Inspirationen mangelte es den Bergers nicht – auch nicht an Originalität und Humor, das wird in der Ausstellung besonders deutlich. Dass sie schon früh ihre gemeinsamen Arbeiten im Design zusammen signierten – bei der Kunst war das meist nicht der Fall –, macht sie zudem zu Vorkämpfer*innen auf dem Gebiet der Gleichstellung. Das Thema kollektive Autorschaft erfährt zwar heute wieder Aufwind, aber die Frage der Gleichstellung ist noch nicht vom Tisch.

Das Arbeiten mit Raum war quasi die Königsdisziplin der Bergers, sei es durch Interventionen im öffentlichen Raum – besonders bekannt ist der 16 Meter hohe «Chribel» (1986) in Bern – als auch durch Kunst am Bau-Projekte oder Arbeiten in der Landschaft.

«Hommage an das Milchgässli» (1982) auf dem Bahnhofsplatz in Bern.

Die Assemblagen schaffen die Möglichkeit, in die Entwurfsprozesse einzutauchen.

Es ist ein seltenes Privileg, dass auch die Skizzen und Modelle ausgestellt werden, denn in der Regel bestehen Ausstellungen aus fertigen Produkten. Skizzen, Fotos, Collagen und Zeichnungen, aber auch so persönliche Gegenstände wie Agendas werden ergänzt durch einige Beispiele ihrer künstlerischen Arbeiten in den Räumen des Kunsthauses. 

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Das Arbeiten im öffentlichen Raum war quasi die Königsdisziplin der Bergers und war in den 60er- und 70er-Jahren ein neues Phänomen. Weg vom Museum und ab in die Natur, lautete das Motto. Die Arbeiten für Freilichtausstellungen wie die Schweizerische Plastikausstellung in Biel (meist von Ueli Berger allein signiert) widerspiegeln zugleich ihre Hinwendung zu Themen wie Ökologie und Umweltgerechtigkeit. Doch auch der Aufwertung des städtischen Raums galt ihr Interesse. Einige der Arbeiten waren als temporäre Interventionen konzipiert, für den Erhalt von anderen kämpfte Ueli Berger wie etwa für seine «Hommage an das Milchgässli» (1982) auf dem Bahnhofsplatz in Bern. Anhand des ausgestellten Briefverkehrs lässt sich ablesen, dass ihn die Entfernung des Werks schmerzte. Dabei stand nicht die Kunst per se im Zentrum der Aufmerksamkeit von Susi und Ueli Berger, sondern ihre Interaktion mit den Nutzer*innen. Kunst konnte in ihren Augen auch ohne bestimmte Absicht passieren, wie ihre Fotoserie «Anonyme Skulpturen» beweist. Im banalen Alltag finden sich manchmal die erstaunlichsten Dinge, man muss nur ein Auge dafür haben.

Die blaue Spielskulptur in Gümligen. (Entstanden 1970)

Ein Teil der Ausstellung zeigen die Skizzen und lassen die Entstehungen der Projekte erfahren. In der Vitrine kann man das Modell der «Elipse» in der Berner Staatskanzlei betrachten.

Eine fruchtbare Zusammenarbeit entwickelte sich zu einigen Langenthaler Industriebetrieben etwa zur Textilfirma Création Baumann. Der damalige Inhaber Jörg Baumann stellte Ueli Berger als Architekt ein. Es entstanden Arbeiten wie der «Bumerang» (1987) oder der Neubau des Hochregallagers (1992). Die enge Zusammenarbeit mit Architekten führte schon früh zu bemerkenswerten Kunst am Bau-Arbeiten, etwa den modularen Spielskulpturen für Schulhäuser in Gümlingen (1970) und Baar (1971), die beide erhalten sind. Sie zeigen beispielhaft, wie modern und ganzheitlich der Ansatz von Susi und Ueli Berger war. Wer die wunderbare und lehrreiche Ausstellung verpasst, die erstmals diesen zentralen Aspekt ihres Schaffens würdigt, kann sich die schöne Publikation zu Gemüte führen, die demnächst erscheint.

Bis 13. November 2022, www.kunsthauslangenthal.ch
Veranstaltungstag am 29. Oktober mit Besichtigung, Führung und Gesprächsrunde.